SCHLUSS, AUS, VORBEI…
…619 Stimmen haben am Ende für das erste Antirassismus-Volksbegehren in Österreich gefehlt. Bedeutet: Das Volksbegehren wird nicht im Nationalrat diskutiert – anders als das Volksbegehren für uneingeschränkte Bargeldzahlung. Ist Bargeld den Österreicher:innen wirklich wichtiger als Antirassismus?
„Man muss viel daran arbeiten, mit Schmerz leben, mit anderen Menschen reden und Erfahrungen sammeln. Aber wenn ich nicht daran glauben würde, dass irgendwann jeder Mensch so akzeptiert wird, wie er ist, dann würde es keinen Sinn machen, mich dafür einzusetzen”, sagt Camila Schmid, die sich auf ihrem Instagram-Account @redefineracism gegen Rassismus einsetzt.
Das Black Voices Volksbegehren war eines von sieben, die im Zeitraum vom 19. bis 26. September 2022 in Österreich auflagen und unterschrieben werden konnten. Das Black Voices Volksbegehren kam auf 99.381 Stimmen und wurde somit nicht im Parlament bearbeitet. Ein Vergleich: Das Volksbegehren zur Bargeldzahlung hatte 5x so viele Stimmen, um genau zu sein 530.938 Stimmen und wird deshalb im Nationalrat behandelt. Wie kommt es gerade in der Zeit, wo der Kampf gegen Rassismus so präsent ist, zu so einem Vorfall? Wir haben uns umgehört, woran es liegen könnte und welche Motive die Österreicher:innen hatten, nicht hinzugehen und zu unterschreiben.
Wir haben versucht, mit Noomi Anyanwu, der Bevollmächtigten Speakerin für das Volksbegehren, Kontakt aufzubauen – allerdings mussten wir zurückstecken. Aufgrund der hohen Nachfrage steht sie für Interviews leider nicht mehr zur Verfügung. Was können wir daraus ableiten? Ist das Thema doch nicht so unwichtig, wie es angesichts des verheerenden Ergebnisses scheint?
Es wurde viel Aufmerksamkeit in den Sozialen Netzwerken geschaffen, doch leider reichte dies nicht aus.
Faktencheck
Was sind Volksbegehren eigentlich? Volksbegehren sind Gesetzesvorschläge von Bürger:innen. Diese können dadurch selbst ein Gesetzgebungsverfahren im Nationalrat einleiten. Findet der Antrag 100.000 Unterstützer:innen, wird das Anliegen in den Nationalrat aufgenommen.
Die Initiator:innen forderten: „Die institutionelle, repräsentative, gesundheitliche, bildungspolitische, arbeitsrelevante und sozioökonomische Stellung für Schwarze Menschen, Menschen afrikanischer Herkunft und People of Colour mit bundesverfassungsrechtlichen Maßnahmen zu verbessern und zu stärken.”
Es ist im Jahr 2022 einzige Volksbegehren, das nicht die Grenze von 100.000 Stimmen erreicht hat. Die Forderung zur COVID-Maßnahmen Abschaffung unterstützen 220.000 Stimmen Österreicher:innen mit ihrer Unterschrift. Das Volksbegehren zur uneingeschränkten Bargeldzahlung erhält sogar rund 530.000 Stimmen. Wie kann das passieren?
Der Alltagsrassismus ist zwar noch zu wenig erforscht, doch in Österreich sind besonders Schwarze Menschen einem negativen Klima ausgesetzt, wie Clara Akinyosoye in dem Artikel “ Schwarze Menschen in Österreich“ erklärt. Sie werden in der Gesellschaft als Problem betrachtet und müssen beim Status eines Asylbewerbers ständig damit rechnen, sich bei jeder geringsten Möglichkeit auszuweisen. Schwarze Menschen werden hier in Österreich vor allem mit Drogenhandel in Verbindung gebracht. Clara Akinyosoye schreibt weiter, dass seit 2010 diverse Fälle der Diskriminierung selbst am Arbeitsplatz passierten. Im öffentlichen Raum wird man vor allem als Schwarzer Mensch ständig mit verbalen und physischen Attacken konfrontiert.
Wäre das nicht Grund genug gewesen, das Volksbegehren zu unterstützen?
Was hat gefehlt?
Um Klarheit zu schaffen, haben wir der politischen Bildnerin, Referentin und Medienmacherin Camila Schmid unsere Fragen gestellt.
Nun, was hat dann eigentlich gefehlt und warum konnten nicht genug Stimmen für das Volksbegehren erreicht werden ? Selbst die bekannte Musikerin Conchita Wurst war Unterstützerin des Projektes. Camila jedenfalls meinte, dass aus ihrer Sicht einiges getan wurde. “Man könnte hunderte Gründe aufzählen und alles aus verschiedenen Perspektiven betrachten.“ Fakt ist jedenfalls, es sind nicht genug Österreicher:innen erschienen.
Auf die Frage, warum sie denkt, dass das Volksbegehren in Österreich nicht genug Stimmen erhielt, hatte sie eine klare Antwort:
“In Österreich sind die Standards beim Thema Wohlstand sehr hoch, da ist es schwierig, aus diesem Komfort heraus kritisch zu denken”, sagt sie.
Außerdem wurde hauptsächlich über Social Media beworben. Vielleicht hätte man auch hier an anderen Schrauben drehen können, um auch eine ältere Zielgruppe zu erreichen. Camila sagt dazu:
Camila Schmid
Camila Schmid ist Aktivistin. Sie setzt sich gegen Rassismus ein und war beim Volksbegehren selbst aktiv. Wir haben bei ihr nachgefragt, was ihre Gedanken zum Thema Rassismus sind. Dass in Österreich noch viel geändert werden muss, ist klar.
„We have a long way to go.“
Camila Schmid
Es ist bereits viel für das Thema Antirassismus gemacht worden, aber eben lange nicht genug. Camila ist ein Paradebeispiel, an dem man Anschluss suchen kann, damit in der Gesellschaft endlich etwas geändert werden kann. Für das Scheitern des Volksbegehrens gibt es nicht diesen einen Grund, es spielten viele Faktoren mit. Doch dieses Ergebnis sollte für die Gesellschaft ein Aufschrei für Veränderung sein!
Herangezogene Literatur: http://www.m-media.or.at/wp-content/uploads/2015/09/Lagebericht-Schwarze-Menschen-%C3%96sterreich2010.pdf